Ingrid Noll: Gruß aus der Küche

– gelesen von : Lina Beckmann, Nellie Fischer Benson, Gustav Peter Wöhler und Johannes Klaußner –

„Wie nennt man eine Versammlung von Veganern? – Gemüseauflauf!“ Auf den ersten Blick geht es sehr heiter und friedlich zu im Restaurant „Aubergine“, dem ehemaligen Gasthaus „Zum Hirschen“, in dem jetzt statt Schnitzel gebraten raffinierte Gemüsegerichte zubereitet werden. Die 40-jährige Köchin Irma hat nicht nur ihre Leidenschaft für die vegetarische Küche entdeckt, sondern auch ihr Herz für schräge Typen, die alle für sie arbeiten. Und wie in jeder engen Gemeinschaft kommt es auch hier zu mehr oder minder kleinen Turbulenzen …

Es ist wahrlich ein sehr bunter Haufen, der das Restaurant „Die Aubergine“ bevölkert.  Irma, die Inhaberin und Köchin mit einem Herz wie ein Scheunentor;  Lucy, die 17- jährige orientierungslose Schulverweigerin und Mädchen für alles; Nicole, die geistig etwas schlichte und klatschsüchtige Hilfsköchin; Josch, der Studienabbrecher, der sich für einen Mann von Welt hält und als Kellner und Finanzberater fungiert, und zu guter Letzt  Dr. Vinzent  Soloth ,ein 80-Jähriger, der sich taub und dumm stellt , den ganzen Tag nur Gemüse schnippelt und es faustdick hinter den Ohren hat.

Kapitel für Kapitel erzählen sie  – bis auf Nicole – ihre Geschichten und gleichzeitig die der anderen. Alle halten sich für besonders schlau und plaudern so genüsslich ihre innersten Gedanken, pikanten Geheimnisse und miesen Intrigen aus. Dabei ahnen sie freilich nicht, wie die anderen sie einschätzen, welche gemeinen Scherze sie treiben, welche Intrigen sie spinnen und welche Verdächtigungen sie hegen. Getrieben von Egoismus, Eifersucht, Neid, Selbstüberschätzung, Abneigung und Liebessehnsucht, treiben alle ein hinterhältiges Spiel, während sie gleichzeitig versuchen, den Schein zu wahren.

Ein wunderbarer Erzählkniff, mit dem sich nicht nur die Charaktere selber entlarven, sondern der auch den Spannungsbogen langsam aber stetig aufbaut, bis ein menschliches – ach, allzu menschliches – Beziehungsgeflecht sichtbar wird. Ingrid Noll selbst beschreibt ihre bisherigen 21 Romane als Menschengschichten, mit kleinen kriminellen Einsprengseln. „Es sind die Sahnehäubchen – die kleinen Morde zwischendurch.“ Der 22. ist freilich anders. In „Gruß aus der Küche“ hat sich Ingrid Noll ganz den Menschengeschichten gewidmet. Es geht um schräge Beziehungen, die mit spitzer Zunge und noch mehr Humor beschrieben werden. Um die kleinen und großen Schwächen und Gemeinheiten. Wirklich sehr unterhaltsam! Allerdings hätte ich mir für den Roman einen  anderen  Schluss gewünscht. Mord hin oder her.

Die Interpretation der einzelnen Figuren durch das Leseensemble ist einfach hörenswert.  Alle treffen genau den richtigen Ton – diesen Mix aus Selbstgerechtigkeit, Naivität, Gemeinheit und Zuneigung. 

Das Hörbuch ist als ungekürzte Lesung im Diogenes Verlag erschienen:

5 CDs 

Laufzeit:  6 Std. 8 Min.

Preis: 26,00 €

Der Roman ist als gebundenes Buch ebenfalls bei Diogenes erschienen:

Seiten: 304

Preis: 26,00 €

Eine Rezension von Liliane Mika

www.mika-media.net

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